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 | 03.05.2022

 

 

Periodenprodukte aus Algen

 

Als Mitgestalter des Innovationsraums New Food Systems, in dem fast 60 Partner aus Wirtschaft und Forschung gemeinsam neue Ernährungssysteme entwickeln – u. a. in den Bereichen Vertical Farming, nachhaltige Proteinzutaten, Insekten, Mikroalgen und Gräser – moderierte unser ehemaliger Geschäftsführer, Meeresbiologe und Sustainable Resource Manager Dr. Alexis Katechakis die Auftaktveranstaltung der Webinarreihe der vier Innovationsräume Bioökonomie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Dabei sprach er auch mit Ines Schiller, Gründerin von Vyld.

"Das ist jetzt zwar kein schöner Übergang aber ein ehrlicher, Frau Schiller, Sie beschäftigen sich ja mit Perioden-Produkten und versuchen hier nicht nur innovative Wege zu gehen, sondern sagen auch “Ja, da muss irgendwie lockerer drüber gesprochen werden. Gerade dem Ekel-Gefühl, das viele Menschen nicht nachvollziehbar haben, dem darf man eigentlich gar keinen Raum lassen. Wie nehmen Sie diese ganze Diskussion der Bioökonomie für sich persönlich wahr und können Sie uns so ein bisschen Einblick in die Start-up Szene geben? Ist das wirklich ein treibendes Element oder spielt das gar keine Rolle?"

"Ich würde mal mit der zweiten Frage anfangen, weil ich glaube, dass es schon ein sehr treibendes Element bei vielen Start-ups und jungen Unternehmen ist, weil es eben genau aus dieser Motivation herauskommt: mit den Ressourcen besser umzugehen, andere Wege zu finden, viel mehr diese Kreislauf-orientierten Ansätze zu verfolgen und das oftmals schon da ist – als wie so eine Art Prämisse – bevor es eigentlich irgendein Produkt gibt. So war es zumindest bei uns und ich kenne auch viele andere Start-ups, die aus so einer Idee rauskommen, dass andere – diese extraktiven – Methoden gar nicht mehr in Frage kommen und dass das deshalb absolut im Kern ist. Deshalb ist es für uns natürlich auch toll, dass es jetzt langsam ein Thema ist, das ernst genommen wird, und schön, dass es jetzt solche Strategien gibt und dass wir sozusagen nicht mehr nur irgendwie die jungen, verrückten Leute sind, die alles anders machen wollen sind, sondern dass es da eben ein Ohr für gibt und ein Verständnis und eine Akzeptanz, dass da auch eine Notwendigkeit ist. (...) Und das passt eigentlich auch ganz gut zu Ihrer ersten Frage. Dieses Ekel-Gefühl kommt ja nicht von ungefähr. Das hat ganz viel mit sozialen Normen und Macht-Strukturen zu tun. Uns geht es tatsächlich genau darum da reinzugehen und zu sagen: Nee, das ist aber nichts Ekliges. Es ist auch nichts, wofür man ein Produkt braucht, das ein “Hygiene-Produkt” ist – das ist nämlich nicht unhygienisch, das ist einfach total natürlich. Das ist ein natürlicher Prozess und wir wollen das normalisieren. Wir wollen jetzt auch nicht sagen: Das ist total toll. Ist es auch nicht. Das ist einfach normal. Und genau so wollen wir auch unsere Produkte entwickeln. Wir wollen versuchen diese natürlichen Zyklen einfach zu normalisieren. Da ist auch die Verbindung für uns zwischen diesem ganzen Klima-Meeresschutz-Thema und Menstruation, weil da eigentlich ziemlich ähnliche Dynamiken am Wirken sind, wie wir das wahr nehmen."

"Vielen Dank. Um beide Aspekte nochmal auf eine Meta-Ebene zu heben: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist jetzt die Bioökonomie-Strategie der Bundesregierung nicht unbedingt ein Treiber, dass man sagt: Aha, da gibt’s so was, da beschäftige ich mich mal mit und lasse mir etwas Schlaues einfallen, aber es ist schon eine wichtige Unterstützung. So habe ich Sie verstanden."

"Ja, richtig."

"Ok. Und das zweite Thema Natürlichkeit. (...) Geht es hier auch darum sich mal wieder bewusster zu machen, was ein natürliches Umfeld ist und wie wir damit leben bzw. dahinleben. Steckt das auch in Ihren Betrachtungen mit drin? Und ist das auch etwas, das Sie in Ihrem Umfeld – in Ihrer Start-up Szene – erleben?"

"Ja, unbedingt. Das ist total wichtig und das ist gerade im Zusammenhang mit Menstruationsprodukten auch total wichtig, weil es da ganz viele Produkte gibt, die das eben nicht machen, die die gegenteilige Strategie machen. Die irgendwie nur mit Duftstoffen versehen sind oder die das irgendwie weghalten sollen. Und das ist uns ganz wichtig: Das eben nicht zu machen und da ein Gegenmodell bieten zu können.
Und auch im Bereich des ganzen Sourcings oder unsere ganze Value Chain. Das sind auch Sachen, die wir uns angucken und wo wir sagen wollen: Ok, macht es eigentlich Sinn so, wie es jetzt ist? Macht es Sinn, dass es über fünf verschiedene Kontinente geht? Machen diese ganzen Behandlungen auf dem Weg dahin Sinn? Oder können wir das nicht in einer Art und Weise, die irgendwie ein bisschen natürlicher ist, machen? Und reduzierter, also: Brauchen wir diese ganzen Sachen, die sich etabliert haben, weil man sie halt so macht, weil man sie die letzten 50 Jahre so gemacht hat. Oder können wir das auch anders machen? Und da ist für uns eben das Thema einer marinen Permakultur total spannend, dass wir sagen können: Ok, wir haben hier die Möglichkeit ein System aufzubauen, was zumindest in Europa noch nicht so reif ist, wie landbasierte Land- oder Forstwirtschaft, wo man einfach viele Fehler gar nicht wiederholen muss. Also wo wir erst gar nicht anfangen müssen Monokulturen anzulegen, sondern wo wir von Anfang an gucken können, wie wir das in ein System einbauen, wie wir die marinen Ökosysteme damit sogar unterstützen können – anstatt etwas herauszunehmen."

"Vielen Dank. Also da wird es ja mit Sicherheit auch direkte Bezugspunkte zum Innovationsraum Blaue Ökonomie geben. Dazu werden wir ja später auch noch mehr hören. Und es passt ja auch ganz gut zu dem Start der UN-Ozeandekade, die letztes Jahr begonnen hat. Also von daher schon einmal viel Erfolg für Ihre weitere Geschäftsentwicklung."


Im Nachgang stellten wir Ines noch diese 4 Fragen:

"Was bedeutet Dir das Meer?""

"Ich persönlich liebe das Meer über alles, ich liebe das Gefühl der Schwerelosigkeit, den Duft, den Klang, den Wind, die Wellen und ich hatte einige meiner tollsten Erfahrungen am oder im Meer. Aber darüber hinaus weiß ich auch, dass das Meer die Grundlage alles Lebens auf dem Planeten in der Form wie wir es kennen, ist. Wenn wir das mit dem Meer versauen, dann haben wir wirklich ein Problem."


"Wie kamst Du auf die Idee Vyld zu gründen?"

"In meiner Ausbildung zum Marine Guide habe ich viel über die unglaubliche Vielfalt und Nachhaltigkeit von Algen lernen dürfen. Seitdem hatte ich Algen immer auf meiner „Things that save the world“ Liste. Als ich dann im Bereich zellbasierter Fisch gearbeitet habe, sind Algen immer wieder ein Thema gewesen und ich habe mich schließlich gefragt, was sich außerhalb des Foodbereichs eigentlich noch Sinnvolles mit ihnen anstellen lässt. Und als Menstruierende suche ich schon lange nach nachhaltigen Alternativen die tatsächlich funktionieren – Algen, die Nachhaltigkeitschampions, sind super saugfähig und super gesund, und bäm, die Idee für Vyld war da."


"Was rätst Du anderen Unternehmern / Unternehmerinnen, die Produkte entwickeln, die den Ozean schützen / entlasten?"

"Lasst uns unbedingt weiter so gut zusammenarbeiten! Ich erlebe die Branche als ausgesprochen kollaborativ. Konkurrenzdenken in dem Bereich wäre auch unsinnig, denn immerhin arbeiten wir alle für die gleiche Sache. Und wir haben genug anderen Gegenwind, als dass wir uns untereinander das Leben schwer machen sollten."


"Was würdest Du Dir von Kapitalgebern wünschen?"

"Wir wollen nicht nur nachhaltige Produkte entwickeln sondern das auch auf nachhaltige Art und Weise tun – die Finanzierungsstruktur ist dafür zentral. Deshalb sind wir ein Unternehmen in Verantwortungseigentum, d.h. die Gewinne werden reinvestiert um den Unternehemenszweck zu verfolgen anstatt an Shareholder ausgeschüttet zu werden. Natürlich bekommen unsere Kapitalgeber:innen ihr eingesetztes Kapital mit einem Multiple zurück, aber wir sind nicht angetreten, um Investor:innen reich zu machen, sondern um die Ozeane zu retten. Ein Verständnis für dieses Umdenken in der Wirtschaft wünschen wir und erwarten wir von Kapitalgeber:innen, die sich Impact auf die Fahnen schreiben."