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 | 06.03.2023

Wie setzt die Deutsche Post DHL Group die CSRD um?  

 

 

Unsere Analystin Kathrine Link hat mit Dr. Klaus Hufschlag, Senior Vice President Sustainability Reporting bei Deutsche Post DHL Group und Mitglied der Sustainability Reporting Technical Expert Group (SR TEG) beim Europäischen Standardsetter EFRAG gesprochen. Wir wollten von Herrn Dr. Hufschlag wissen, welche Schritte die Deutsche Post DHL Group geht, um sich für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu rüsten und welche Hürden durch die CSRD auf Unternehmen zukommen werden.

 

Herr Dr. Hufschlag, welche Rolle haben Sie bei der Erstellung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) eingenommen?

In der Sustainability Reporting Technical Expert Group – das ist die Expertenrunde bei EFRAG, die über die Standardentwürfe berät und sie als Empfehlung an die Europäische Kommission vorbereitet – vertrete ich die Seite der Berichtsersteller aus der Unternehmenspraxis. Ich komme selbst aus dem Finanzbereich, klassisch aus Rechnungswesen und Controlling; ich hatte aber schon 2008 meinen ersten Kontakt mit dem Thema ESG-Reporting, als wir begonnen haben, die CO2-Bilanzierung der Deutsche Post DHL Group in der Finanzabteilung aufzubauen. Im Laufe der Zeit haben wir dann weitere Nachhaltigkeitskennzahlen in unser Finanzsystem aufgenommen. Als wir 2021 bei Deutsche Post DHL Group unsere heutige ESG-Roadmap aufgesetzt haben, wurde schlussendlich das gesamte Nachhaltigkeitsreporting in meiner Abteilung im Finanzbereich zusammengefasst. Vor diesem Hintergrund, als Praktiker, wollte ich auch bei der Entwicklung der europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung der EU mitarbeiten. Mir ist es wichtig, die Anforderungen der ESRS so zu formulieren, dass sie für die Unternehmen praxistauglich sind. Nach der Vorlage der ESRS bei der EU-Kommission kann ich sagen, dass dies zwar größtenteils gelungen ist – alle Offenlegungsverpflichtungen (Disclosure Requirements, kurz: DRs) sind für sich genommen umsetzbar, wenn auch teilweise nicht einfach. Es sind jedoch in der Summe immer noch sehr viele Anforderungen, die auf die Unternehmen zukommen.

 

Wie rüstet sich die Deutsche Post DHL Group für die Umsetzung dieser Anforderungen? Welche Hürden gibt es dabei?

Die wichtigste Botschaft ist, dass die Zeit läuft – das erste Berichtjahr ist für uns schon 2024. Wir haben daher begonnen, uns auf die Berichtserstattung nach CSRD vorzubereiten. Der erste Schritt ist dabei die Umstellung unserer ESG-Materialitätsanalyse, bisher nach GRI-Standard, auf die Anforderungen aus den ESRS. In der Materialitätsanalyse wird untersucht, welche ESG-bezogenen Auswirkungen die Unternehmenstätigkeit hat und welche ESG-Risiken und -Chancen für das Unternehmen bestehen. Auf dieser Basis wird dann bestimmt, welche ESG-Themen ‚materiell‘ und damit für das Reporting des Unternehmens relevant sind. Parallel analysieren wir bereits, wo wir noch Lücken in unserem Reporting sehen. Das heißt konkret, wir schauen uns vor allem an, welche Kennzahlen im Vergleich zu unserem heutigen Nachhaltigkeitsreporting gefordert werden, und organisieren die strukturellen und organisatorischen Prozesse für die erforderlichen Datenflüsse und Maßnahmen, um eine gute Datenqualität zu garantieren.

 

Stakeholder spielen eine wichtige Rolle bei der Wesentlichkeitsanalyse der CSRD. Wie binden Sie den stillen Stakeholder „Natur“ ein?

Die Einbindung der Natur als ‚stiller Stakeholder‘ ist eine Neuerung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und stellt sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar: Sie erfordert eine bewusste Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Forschung in den Umweltthemen. Größere Unternehmen mit breiter interner fachlicher Expertise sind hier oft schon gut aufgestellt. Viele mittelgroße und kleinere Unternehmen dürften hier jedoch vielfach vor Herausforderungen stehen, da das erforderliche Fachwissen nur bei wenigen Personen im Unternehmen vorhanden ist – hier werden die Unternehmen vermutlich häufig auf externe Unterstützung zurückgreifen müssen. Gleichzeitig bietet der Ansatz aber die Möglichkeit, ergänzend zu Meinungen und Stimmungen der klassischen Stakeholderanalyse auch verstärkt objektive wissenschaftliche Maßstäbe einzubeziehen.

 

Welchen Stellenwert hat der Nachhaltigkeitsbericht für Stakeholder wie Kreditgeber und Investoren?

Investoren und Kreditgeber sind wichtige Stakeholder für die Unternehmen. Bei den ESRS mit der doppelten Wesentlichkeit haben sie mindestens an der finanziellen Wesentlichkeit ein Interesse. Strategisch denkende Investoren wissen aber auch, dass finanzielle Wesentlichkeit einerseits und gesellschaftliche und soziale Wesentlichkeit andererseits in einer langfristigen Wechselbeziehung stehen. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist daher für diese Akteure sehr relevant – und das Interesse der Anleger an nachhaltigen und ESG-Anlagen wächst weiter.

 

Welcher Standard wird am schwierigsten umzusetzen sein?

Für viele Unternehmen wird die größte Herausforderung in den sozialen Standards liegen. Der Standard zur eigenen Belegschaft (ESRS S1 Own Workforce) geht beispielsweise über die eigenen Mitarbeitenden hinaus und schließt Zeitarbeitskräfte und ‚abhängige Selbstständige‘ mit ein. Wenn Daten über die Unternehmensgrenzen hinweg berichtet werden müssen, kommen wir aber an die Grenzen der Machbarkeit für die Unternehmen. Daher hat EFRAG bei einzelnen sozialen DRs die Berichtspflicht bereits auf die eigenen Mitarbeitenden eingeschränkt.

Und auch in der Operationalisierung vieler Kennzahlen des S1-Standards werden die Unternehmen auf praktische Hürden stoßen: Sobald ein Unternehmen in mehreren Ländern oder Währungsräumen tätig ist, werden die Prozesse komplex. So sind nicht nur verschiedene lokale Gegebenheiten, wie z.B. unterschiedliche Sozialsysteme oder Kaufkraftunterschiede für eine sinnvolle Bestimmung der Kennzahlen zu berücksichtigen, auch erschweren national unterschiedliche Datenschutzbestimmungen die Weitergabe und teilweise die Erfassung von benötigten Daten. Hier wird die EU-Kommission die Unternehmen durch pragmatische Hilfestellungen unterstützen müssen, um ein aussagekräftiges und vergleichbares Reporting zu ermöglichen.

 

Können Sie uns einen Ausblick dazu geben, wie sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Zukunft verändern wird?

Ich selbst komme aus dem Finanzbereich und habe einige Entwicklungsschleifen, die das Finanzreporting drehen musste, miterlebt. Einen solchen Reifeprozess wird auch das Nachhaltigkeitsreporting durchlaufen. Wir werden eine Evolution bei Unternehmen sehen, die einen großen positiven Impact auf Umwelt und Gesellschaft haben wird. Es wird jedoch auch einige Stellen geben, an denen nachher doch wieder Vereinfachungen im Reporting erforderlich werden – sei es, um anschlussfähig an internationale Standards zu bleiben, oder aus Kosten-Nutzen-Erwägungen. Der eigentliche Fokus sollte ja nicht auf der Berichterstattung liegen, sondern vor allem auf der Umsetzung der Maßnahmen für eine nachhaltige Wirtschaft.

Herr Dr. Hufschlag, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Als Mitglied der Sustainability Reporting Technical Expert Group der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat Dr. Klaus Hufschlag an der Erstellung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zur CSRD mitgearbeitet. Er ist als Senior Vice President der Deutsche Post DHL Group  verantwortlich für die ESG-Berichterstattung und das Nachhaltigkeits-Controlling der Deutsche Post DHL Group.

 

Glossar:

CSRD: Die Corporate Sustainability Reporting Directive ist die gesetzliche Grundlage für die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und erweitert bestehende Regeln zur nicht-finanziellen Berichterstattung. Die neue Richtlinie folgt einer doppelten Wesentlichkeit – Unternehmen müssen die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf die wirtschaftliche Lage und den sozialen bzw. ökologischen Impact des Unternehmens festhalten.

EFRAG: Die European Financial Reporting Advisory Group ist für die Entwicklung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) verantwortlich.

ESRS: European Sustainability Reporting Standards sollen die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in der EU präziser, einheitlicher, konsistenter, vergleichbarer und standardisierter machen – genau wie die Finanzbuchhaltung und -berichterstattung. Derzeitige Entwürfe beinhalten 82 Offenlegungsverpflichtungen (Disclosure Requirements, kurz DRs).