„Wenn Nachhaltigkeitsberatung fordert: Raus aus der Komfortzone!“
fors-Gründer Frank Sprenger über Herausforderungen und Chancen in Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitsberatung (Teil 2)
Bei unserer täglichen Arbeit als Nachhaltigkeitsberatung stellen wir immer öfter fest, dass viele unserer Ansprechpartner:innen auf Kundenseite, seien es Nachhaltigkeitsmanager:innen, Sustainability Beauftragte, Corporate Social Responsibility Manager:innen oder Corporate Sustainability Officer, sich in ihren Unternehmen teils nicht ernst genommen und oftmals überfordert fühlen. Die Frustration ist hoch, die Kündigungsquote ebenso. Warum ist das so? Das wollte unsere Kollegin Julia Winderlich von unserem Gründer Frank Sprenger wissen, der seit über 30 Jahren seinen ganz persönlichen Nachhaltigkeitsmarathon läuft.
Im zweiten Teil des Gesprächs geht Frank auf die neuen Herausforderungen ein, denen sich auch Mitarbeitende in der Nachhaltigkeitsberatung stellen müssen, nennt einige Eigenschaften, die sie mitbringen sollten und erzählt, welche Fähigkeiten ihm in seiner täglichen Arbeit am meisten helfen.
Frank, in unserer Nachhaltigkeitsberatung fors.earth arbeiten wir eng mit Nachhaltigkeitsmanager:innen zusammen. Wenn sich deren Rolle ändert, wie wir in Teil 1 unseres Gesprächs festgestellt haben, inwiefern hat das auch Auswirkungen auf unseren Berufsstand?
Nachhaltigkeitsberatung hat sich im Scope geändert. In den ersten 20 Jahren war sie hauptsächlich umweltbezogen. Nun müssen wir uns andere Fragen stellen: „Wie können wir Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanager:innen in Unternehmen befähigen, möglichst gut in der Organisation gehört zu werden? Wie können wir ihnen helfen anders, positiver, wahrgenommen zu werden?“ Damit in Unternehmen erkannt wird: „Unsere Nachhaltigkeitsabteilung ist keine Last, sondern zeigt uns Chancen auf und hilft uns, Risiken zu vermeiden, die teuer werden könnten“.
Nachhaltigkeitsberatung zielt immer mehr darauf ab,
die Mikropolitik und die Kultur des betreuten Unternehmens zu verstehen
und den Nachhaltigkeitsverantwortlichen zu helfen, Prioritäten richtig zu setzen.
Natürlich müssen Nachhaltigkeitsberater:innen Nachhaltigkeitsstandards, Legal Compliance, gesetzliche Vorschriften etc. aus dem Effeff beherrschen. Aber inzwischen zielt eine gute Nachhaltigkeitsberatung immer mehr darauf ab, die Mikropolitik und die Kultur des betreuten Unternehmens zu verstehen und den Nachhaltigkeitsverantwortlichen zu helfen, Prioritäten richtig zu setzen. Anstatt in die Tiefen der Compliance oder des CO2-Footprints einzutauchen, müssen unsere Ansprechpartner:innen mit dem Marketing, mit der Produktentwicklung oder dem Produktmanagement neue Wege einschlagen.
Nachhaltigkeitsberater:innen sollten also nicht nur fachlich versiert sein, sondern auch ihre Soft Skills geschult haben?
Richtig. Heutzutage wird viel weniger technische Beratung gebraucht, dafür mehr Begleitung und Weiterentwicklung. Für uns bedeutet das: Mehr Demut, mehr Aufmerksamkeit für softe Faktoren wie Kultur, vor allem aber ein Verständnis für verschiedenste Treibersysteme in Unternehmen, von den Eigentümer:innen über die Wettbewerbssituation bis hin zu Kundenanforderungen. Nachhaltigkeitsberatung muss ein breites Themenfeld abdecken, damit effektive Nachhaltigkeitsprojekte aufgesetzt werden können. Das geht weit über die Kenntnis von einschlägigen Vorschriften und Normen hinaus, auch wenn die Versuchung groß ist, sich zu quälen, so nach dem Motto „Wenn es anstrengend ist, muss es auch richtig sein!“.
Das heißt, Nachhaltigkeit darf und soll auch Spaß machen?
Nun, wir fordern unsere Kunden schon auf: Get out of your own comfort zone! Da sind wir dann auch unbequem, das fordern wir auch aus einer Verantwortung heraus, weil wir alle einen Beitrag leisten wollen. Wir müssen aus unserer Komfortzone raus, aber diesen Weg raus können wir unseren Kunden erleichtern, weil wir diese Wege schon zigfach, in hunderten unterschiedlichsten Konstellationen, mit Firmen beschritten haben. Das ist der entscheidende Engpass, und nicht, ob man die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) lesen kann.
Die Soft Skills hast du vorhin schon angesprochen, was benötigt der oder die ideale Kandidat:in für eine Nachhaltigkeitsberatung in deinen Augen noch?
Wir brauchen Menschen, die bereit sind, auf Augenhöhe mit Kunden zu arbeiten, die nicht eine Art Pseudosicherheit vermitteln, indem sie in eine Expertenrolle schlüpfen, sondern die wissen, dass eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf gegenseitigem Lernen, Weiterentwickeln und Verstehen beruht. Im Vergleich zur klassischen Beratung erfordert das ein viel zurückhaltenderes und lernwilligeres Mindset. Wir sprechen hier von sehr komplexen und dynamischen Prozessen, man muss auf viele Veränderungen im Laufe eines Projektes reagieren können.
Gleichzeitig sollte man überzeugend, aber nicht akademisch-herablassend mit unterschiedlichsten Menschen von Produktionsmitarbeitenden über Umweltbeauftragte bis hin zum Aufsichtsrat kommunizieren können, und das authentisch und ehrlich und ohne zu viel zu versprechen. Und zu guter Letzt muss eine gewisse intrinsische Motivation vorhanden sein, die es der Nachhaltigkeitsberaterin oder dem Nachhaltigkeitsberater ermöglicht, immer wieder Frustrationen auszuhalten und geduldig zu bleiben, wenn es langsamer voran geht als gedacht.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Welche Fähigkeiten, die du im Laufe der Jahre weiterentwickelt und perfektioniert hast, helfen dir in deiner täglichen Arbeit am meisten?
Ich kann gut zuhören, habe ein Verständnis für die Kultur von Unternehmen und meistere die „Königsdisziplin Auftragsklärung“, kann also gut einschätzen, wo die Organisation und die direkten Ansprechpartner:innen stehen, um sie weder zu über- noch zu unterfordern. Dazu ein Gespür für die richtige Art der Ansprache von Personen aus den verschiedensten Hierarchieebenen. Ferner Respekt für die beteiligten Menschen und eine Demut für die Vielfalt der Konstellationen – kein Unternehmen ist gleich. One size fits all gibt es in der Nachhaltigkeitsberatung einfach nicht, man stößt immer wieder auf neue Situationen, die mit den Kund:innen gemeinsam analysiert und angegangen werden müssen.
Und zu guter Letzt: Die Fähigkeit, die Kunden zu befähigen. Im Sinne von SDG (Sustainable Development Goal) 17 stellen wir unseren Kund:innen gerne Tools – wie aktuell für die Berichterstattung nach CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) z. B. den CSRD Gap Assistant – zur Verfügung, mit denen sie selbst weiterarbeiten können. In den weniger handwerklichen Dingen können sie sich dann mit Fleiß selbst weiterentwickeln. Für die schwierigen Disziplinen wie beispielsweise die Beantwortung der Frage „Wie bekomme ich Nachhaltigkeit ins Kerngeschäft?“ gibt es keine Tools, da helfen wir von fors.earth dann gerne weiter.